Wortformen: Neugierde, neugierig
Synonyme
Wissensdurst, Entdeckerfreude, Interessiertheit, Wissbegierde, Wissensdrang, Wunderfitz (schweizerisch), Spannung (Erwartung), Adj. gwunderig (schweizerisch)
Ähnlich: Affinität, Interesse, Offenheit, Wunsch, Aspiration, Vorwitz (veraltet)
Fremdwörter: Skopophilie, inquisitiv (bildungssprachlich)
Englisch: curiousness, inquisitiveness (Wissbegierde), curiosity (Merkwürdigkeit), nosiness (Schaulust)
Wortherkunft
Wortbildung (als Determinativkompositum) aus dem Adjektiv „neu“ und dem Substantiv „Gier“.
neu: „aus jüngster Zeit stammend, anders als früher, als bisher, noch nicht benutzt, nicht abgenutzt“; aus „althochdeutsch“ „niuwi“ (8. Jh.) = „neu, frisch, sich erneuernd, veränderlich, unbeständig, wankelmütig, nie veraltend“; abgeleitet aus germanisch „*newja-“ und altindisch „návyaḥ“ = „neu, jung“; gleichbedeutend zu griechisch „néos“ = „neu, jung“ und lateinisch „novus“ = „neu“.
Gier: „heftiges, maßloses Verlangen, Begehren“; verschiedene Herkünfte: u. a. aus althochdeutsch „ger“ (9. Jh.), Nebenform „giri“ (8. Jh.) = „begierig, verlangend“, welches mit „gern“ verwandt ist und zur indoeuropäischen Wurzel „*g̑her-“ = „begehren, gern haben“ gehört.
Neugier (Neugierde): „Begier, Neuigkeiten oder die Angelegenheit anderer zu erfahren“ (17. Jh.), gebildet aus älterem Adjektiv „neugierig“ = „voller Neugier, gespannt“ (Mitte 16. Jh.).
Definition
Neugier (auch Neugierde) ist das als ein Reiz auftretende Verlangen, Neues zu erfahren und insbesondere, Verborgenes kennenzulernen.*
* Quelle: Johannes Hoffmeister: Wörterbuch der philosophischen Begriffe (1955)
Wertesystemisch vereinfacht: „Lustvolles Wissenwollen“.
Beschreibung
Neugier ist eine grundlegende menschliche Eigenschaft, die unser Interesse und unsere Bereitschaft zur Erforschung der Welt um uns herum anregt. Sie ist ein Antrieb, der uns motiviert, neue Informationen zu entdecken und dadurch unser Verständnis zu vergrößern. Ebenso dient sie dazu, durch gemachte Erfahrungen bestimmte Fähigkeiten zu verbessern.
Neugier ist in den meisten Fällen intrinsisch motiviert, da sie aus einem inneren Bedürfnis heraus entsteht und nicht unbedingt an eine äußere Belohnung oder Anerkennung gebunden ist. Stattdessen wird sie durch das natürliche Verlangen angetrieben, unser Verständnis zu erweitern und neue Dinge zu entdecken. Dieser intrinsische Antrieb zur Erkundung und zum Lernen ist ein zentrales Element der Neugier.
Obwohl Neugier rein intrinsisch motiviert ist, kann sie auch durch äußere Faktoren (Reize) beeinflusst werden. Zum Beispiel können Umgebungen oder Situationen die Neugier anregen oder verstärken.
Der ureigene Zweck sowie der Sinn von Neugier können in mehrere motivierte Aspekte unterteilt werden:
- Wissenserwerb: Durch die Neugier sind wir motiviert, unser Wissen über verschiedene Themen zu erweitern. Dies kann uns helfen, besser fundierte Entscheidungen zu treffen und unsere Fähigkeiten in verschiedenen Bereichen zu verbessern.
- Problemlösung: Neugier treibt uns dazu an, Lösungen für Herausforderungen und Probleme zu suchen. Sie regt uns zum kritischen, hinterfragenden Denken an und motiviert uns, neue Wege zu finden, um Problematiken aufzulösen.
- Innovation und Kreativität: Neugier ist oft die treibende Kraft hinter neuen Ideen und Erfindungen. Durch wiederholtes Fragen, das Hinterfragen des Status quo und das Suchen nach neuen Wegen, wie man etwas tut, können wir gedanklich (kognitiv) und auch intuitiv innovative Lösungen erschaffen.
- Persönliche Entwicklung und Wachstum: Neugier fördert unser persönliches Wachstum und unsere Entwicklung. Durch das Streben nach Erfahrungen und dem Lernen mittels unterschiedlicher Perspektiven können wir unsere Sicht auf die Welt erweitern (Weitsicht) und uns als Individuum weiterentwickeln und stabilisieren.
- Soziale Interaktion: Neugier fördert auch die soziale Interaktion. Sie führt dazu, dass wir Fragen über andere Menschen stellen, was dazu führen kann, dass wir sie besser verstehen. Dies kann zu stärkeren und tieferen menschlichen Verbindungen führen.
- Überleben und Anpassung: Auf einer grundlegenden Ebene hat Neugier den Menschen dabei geholfen, zu überleben und sich an neue Umgebungen anzupassen. Das Streben nach Verstehen und Lernen hat uns ermöglicht, Werkzeuge zu entwickeln, Nahrung zu finden und Gefahren zu vermeiden.
- Lebensfreude und Erfüllung: Neugier kann auch zu einem erfüllteren Leben beitragen. Das Streben nach Wissen und Erfahrungen kann Freude und Zufriedenheit bringen, indem uns dadurch ermöglicht wird, unsere Interessen und Talente zu verfolgen sowie unsere Leidenschaften zu entdecken.
- Vorbeugung von geistigem Verfall: Es gibt Studien*, die darauf hindeuten, dass eine lebenslange Neugier und das Streben nach Lernen dazu beitragen können, geistige Fähigkeiten im Alter zu erhalten und den kognitiven Abbau zu verlangsamen.
* Siehe bspw. „Lebenslanges Lernen in einer alternden Gesellschaft“, ISBN: 978-3-89892-796-3 (Friedrich-Ebert-Stiftung, 2007
Konstruktivistische Neugier ist demnach ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Lebens, die das Lernen, Wachstum und die Fähigkeit zur Anpassung fördert. Es ist eine grundlegende und evolutionsbedingte Triebfeder für Wissenserwerb, kreatives Denken und soziale Bindung.
Wie bei einigen anderen Werten ist es auch bei der Neugier wichtig, die passende Dosis zu finden. Zwar könnte man sagen, dass mehr Neugier besser ist, als weniger, jedoch kann eine übersteigerte und zwanghafte Form dazu führen, dass der Mensch zu viele Informationen verarbeiten muss und zudem die Problematik bekommen kann, das Wichtige vom Unwichtigen im Dickicht der Informationsflut nicht mehr unterscheiden zu können.
Gerade am Beginn des Lebens ist die Neugier naturbedingt groß, was sich beispielsweise durch die sich oft oder ständig wiederholende „Warum-Frage“ von Kindern bemerkbar macht.
Der österreichische Biophysiker, Kybernetiker und Konstruktivist „Heinz von Foerster“ (1911–2002) schuf den Begriff „Neugierologie®“. Diese stützt sich auf die These, dass es ein „potenzielles Unwissens“ bezüglich der meisten wissenschaftlichen Erkenntnisse gibt. So schuf er eine Lehre bzw. Denkrichtung, die dazu auffordert, Neugierde als vitales Grundprinzip, urmenschliche Treibkraft und Motor aller Veränderung und Weiterentwicklung anzuerkennen und dabei den natürlichen menschlichen Instinkt zur Neugierde zu fördern.
Neugier wurde im Mai 2023 erstmals ins WELEX als reiner Wert aufgenommen und war zuvor nur als wichtiges Synonym an einigen Stellen erwähnt.
Zitate
„Unser Ziel sollte nicht ein vollkommenes Utopia sein, sondern eine Welt, in der Phantasie und Hoffnung lebendig sind.“
Bertrand Russell (1872–1970)
„Die Neugier steht immer an erster Stelle eines Problems, das gelöst werden will.“
Galileo Galilei (1564–1641jul./1642greg.)
„Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.“
Albert Einstein (1879–1955)
„Solange man neugierig ist, kann einem das Alter nichts anhaben.“
Burt Lancaster (1913–1994)
„Wenn die Neugier sich auf ernsthafte Dinge richtet, dann nennt man sie Wissensdrang.“
Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916)
„Die Liebe besteht zu drei Viertel aus Neugier.“
Giacomo Casanova (1725–1798), Memoiren
„Die Öffentlichkeit hat eine unstillbare Neugier, alles zu wissen, nur nicht das Wissenswerte.“
Oscar Wilde (1854– 1900); Der Sozialismus und die Seele des Menschen
„Die Neugier ist die mächtigste Antriebskraft im Universum, weil sie die beiden größten Bremskräfte im Universum überwinden kann: die Vernunft und die Angst.“
Walter Moers (* 1957), aus „Die Stadt der Träumenden Bücher“
In den Medien
Ministerium für Neugier & Zukunftslust
Das Ministerium für Neugier & Zukunftslust ist eine Non-Profit-Initiative die von Patrick Rammerstorfer, Katharina Ehrenmüller, Melanie Müller und Stefan Promper gegründet wurde. Es steht für die Kultivierung von epistemischer Neugier in Wirtschaft und Gesellschaft und der damit einhergehenden Lust auf Zukunft.
Die Mission (gemäß Website am 24.04.2023): Die Idee für dieses Ministerium wurde in unseren Kopf gepflanzt. Sie ist bei uns auf fruchtbaren Boden gefallen – denn aus Erfahrung wissen wir, dass Neugier der wichtigste und wertvollste Treiber von Innovation ist. Gleichzeitig haben wir gerade jetzt wohl alle das Bedürfnis, wieder einmal lustvoll, vorfreudig, zuversichtlich in die Zukunft zu blicken. Denn auch wenn es sich nicht immer so anfühlt: Zukunft ist, was wir aus ihr machen. Wir möchten sie – für uns, für die Arbeitswelt, für die Gesellschaft – möglichst lebenswert, erfreulich, sinnvoll, mutig und nachhaltig gestalten. Dafür müssen wir positive Vorstellungen von der Zukunft entwickeln, die uns anziehen und leiten. Auch das ist die Mission und das Ziel dieser Initiative.
https://www.neugierundzukunftslust.at
Was gibt s denn da zu gucken?
Aus Süddeutsche Zeitung Magazin, 31.03.2015, Heft 13/2015 WISSEN von: Max Fellmann und Till Krause
Die Nase überall reinstecken? Die Nummer, die wir auf der Titelseite zeigen, sofort anrufen? Die Neugier hat einen zweifelhaften Ruf. Dabei ist sie eine unserer wichtigsten Eigenschaften. Und eine gefährliche. Was wir Ihnen darüber verraten, könnte Sie sehr interessieren.
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/81086
Literatur
Der Neugier-Code: Zehn Elemente für ein erfolgreiches Neugier-Management in Zeiten der Disruption
Taschenbuch – 20. Februar 2018 von Melanie Vogel (Autor)
Neugier, Curiosità, war eines der wichtigsten Lebensprinzipien Leonardo da Vincis – und sie war ebenfalls elementarer Treiber von Albert Einstein. Dass beide Männer in ihrem Wesen und ihrem Werden auffallende Parallelen zeigen, ist eine wichtige Erkenntnis, aus der Melanie Vogel diese Essenz schuf – den „Neugier-Code“, der ein erfolgreiches „Neugier-Management“ möglich macht. Die Rückkehr zur Neugier ist notwendig, denn wir leben in einer Welt der extremen Veränderung, die uns immer häufiger aus unseren Komfortzonen reißt und uns dazu auffordert, bekannte Denk- und Handlungsmuster, gewohnte Prozesse, ja – sogar liebgewonnene Rituale und Traditionen nicht nur zu hinterfragen, sondern sie zum Teil völlig zu durchbrechen, um sie dann ganz hinter uns zu lassen. Es ist das, was uns wieder zu Pionieren macht. Das, was da Vinci und Einstein in völliger Reinkultur betrieben. Sie sind ihrer Neugier gefolgt und schufen so nie Dagewesenes! Wie können wir diese Erkenntnis in unserem Umfeld und in den Unternehmen nutzen? Was braucht es, damit wir zu Pionieren werden? Es ist einfach – Neugier-Management!
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Letzte Bearbeitung am 15.05.2023
schweizerisches Synonym hinzugefügt am 20.05.2023
Autor: Frank H. Sauer