Wortformen: Verzeihung, verzeihend, verzeih (mir)
Synonyme
Vergeben, entschuldigen, freisprechen, lossprechen, nachsehen, begnadigen
Ähnlich: Nicht übel nehmen / nicht verübeln, Verständnis zeigen, nicht nachtragen, rechtfertigen
Umgangssprachlich: Ein Auge zudrücken / beide Augen zudrücken, nicht krummnehmen
Fremdwörter: exkulpieren (Rechtssprache), amnestieren, Pardon geben, absolvieren (aus Absolution; katholische Kirche)
Englisch: forgive (vergeben), pardon (begnadigen), excuse (entschuldigen)
Wortherkunft
Aus mittelhochdeutsch „verzīhen“ = versagen, abschlagen, lossagen und aus althochdeutsch „farzīhan“ = versagen, verweigern; eine Ableitung vom Verb „zeihen“ = „beschuldigen, bezichtigen“ mit dem Ableitungsmorphem „ver-“ = „etwas entfernen“, „etwas wegnehmen“; ergibt sinngemäß: verzeihen = „ent-schuldigen“ oder „das Entfernen (vollständige Auflösen) eine Beschuldigung“.
Definition
Jemanden von etwas freisprechen; jemandem von eine Handlung oder Unterlassung entschuldigen.
Beschreibung
Verzeihen erfolgt nach einer meist absichtlichen (oder auch unabsichtlichen), unredlichen oder böswilligen Tat. Meist wurde diese destruktive Handlung gegen die Person begangen, welche verzeiht.
Zum Verzeihen gehört die bewusste Überwindung des eigenen Grolls und Schmerzes, was in Folge die bisherigen negativen Gedanken, schlechte Gefühle und auch die damit oft einhergehenden psychosomatischen Reaktionen auslöschen kann.
Verzeihen kann Konflikte lösen sowie das allgemeine Wohlbefinden der Person, die verzeiht und der Person, der verziehen wird, massiv steigern.
Das Verzeihen ist traditionell ein religiöses Ritual (obligatorische Tugend), zur Beseitigung des eigenen energieaufwändigen Grolls und zur Erteilung der sog. Absolution. Eingefordert wird dies in überlieferten Schriften und menschenfreundlichen Traditionen, z.B. im Christentum, Judentum, Hinduismus und Buddhismus.
Auch in neuzeitlichen (optimistischen) esoterischen und spirituellen Lehren steht das Verzeihen bzw. das Vergeben an hervorgehobener Stelle. Oft wird Verzeihen durch bestimmte Rituale durchgeführt. In einigen Fällen wird Verzeihen auch mit dem Begriff „Loslassen“ (von z. B. Groll, Beschuldigung oder Bewertung) bezeichnet.
Zitate
“Der Schwache kann nicht verzeihen. Verzeihen ist eine Eigenschaft des Starken.”
Mohandas Karamchand Gandhi (02.10.1869 in Porbandar, Gujarat bis 30.01.1948 in Neu-Delhi, Delhi); indischer Rechtsanwalt, Widerstandskämpfer, Revolutionär, Publizist, Morallehrer, Asket und Pazifist
“Ältere Bekanntschaften und Freundschaften haben vor neuen hauptsächlich das voraus, dass man sich einander schon viel verziehen hat.”
Johann Wolfgang von Goethe (28.08.1749 in Frankfurt am Main bis 22.03.1832 in Weimar; geadelt 1782); gilt als einer der bedeutendsten Repräsentanten deutschsprachiger Dichtung
“Wir sollen immer verzeihen, dem Reuigen um seinetwillen, dem Reuelosen um unseretwillen.”
Marie Freifrau Ebner von Eschenbach (13.09.1830 auf Schloss Zdislawitz bei Kremsier in Mähren bis 12.03.1916 in Wien); österreichische Schriftstellerin; gilt mit ihren psychologischen Erzählungen als eine der bedeutendsten deutschsprachigen Erzählerinnen des 19. Jahrhunderts
“Ehe man tadelt, sollte man immer erst versuchen, ob man nicht verzeihen kann!”
Georg Christoph Lichtenberg (01.07.1742 in Ober-Ramstadt bei Darmstadt bis 24.02.1799 in Göttingen); Mathematiker und der erste deutsche Professor für Experimentalphysik; gilt als Begründer des deutschsprachigen Aphorismus
“Der Mensch ist nie so schön, als wenn er um Verzeihung bittet oder selbst verzeiht.”
Jean Paul (21.03.1763 in Wunsiedel bis 14.11.1825 in Bayreuth; eigentlich Johann Paul Friedrich Richter); deutscher Schriftsteller
“Sei gut zu dir und vergib den anderen.”
Buddhistische Weisheit
“Jemandem zu vergeben ist ein handfester Beweis für Ihre Absicht, ihr Leben jetzt zu leben, während Sie es haben, und später tot zu sein, wenn Sie es sind.”
Ron Smothermon (*1943); US-amerikanischer Arzt, Therapeut, Dozent und Autor
„Alles verstehen heißt alles verzeihen.“
Theodor Fontane (1819–1898)
In den Medien
Wahre Vergebung wirkt heilsam (Fokus Online)
Veröffentlicht am 03.05.2011 auf YouTube von focusonline
Wer sich und seine Beziehung verändern möchte, der muss verzeihen lernen. Wahre Vergebung wirkt wie eine Entrümplungsaktion des Herzens, sagen die Paartherapeuten Eva-Maria und Wolfram Zurhorst.
Literatur
Rache oder Verzeihen: Beziehung retten durch Fehler vergeben?
Ein Fachartikel auf www.frauenzimmer.de vom 21.09.2012
Es mit gleicher Münze heimzahlen, das ist auf den ersten Blick ein Segen für das gepeinigte Ego. Man muss aber kein Christ sein, um sich auf kurz oder lang für das Verzeihen zu entscheiden.
Seit die Menschen die Liebe nicht nur empfinden, sondern auch über sie nachdenken und sich einen Begriff von ihr machen, gibt es die Unterscheidung zwischen „Eros“, „Agape“ und „Philia“. Die schlauen Griechen haben sich das vor Jahrtausenden ausgedacht.
Letzte Bearbeitung am 17.09.2022