Wortherkunft
Aus lateinisch „dēlectāre“ = „sich angenehm beschäftigen, ergötzen“, das ins Deutsche über das gleichbedeutende italienische „dilettante“ (zu italienisch „dilettare“) übergeleitet wurde (18. Jh.).
Definition
Bezeichnung für einen Menschen, der eine Beschäftigung aus Liebhaberei betreibt; auch: „Laie“.
Beschreibung
Ein Dilettant ist ein Liebhaber einer Kunst oder Wissenschaft, der sich ohne schulmäßige Ausbildung und nicht berufsmäßig damit beschäftigt. Als Amateur oder Laie übt er eine Sache um ihrer selbst willen aus, also aus Interesse, Vergnügen oder Leidenschaft und unterscheidet sich somit von einem Fachmann.
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Dilettant
Wertesystemische Bedeutung
Heute wird der Begriff Dilettant meist abwertend gebraucht – zur Kennzeichnung von Personen, denen Professionalität, Fachwissen oder methodisches Können abgesprochen wird. In diesem Sinne werden Begriffe wie Stümper, Amateur oder unwissenschaftlich oft gleichgesetzt oder synonym verwendet. Dabei verkennt dieser Gebrauch den ursprünglichen und durchaus ehrenwerten Kern des Begriffs.
Tatsächlich zeigt die Geschichte, dass zahlreiche Innovationen, Entdeckungen und kreative Durchbrüche von sogenannten Dilettanten ausgingen – also von Menschen ohne formale Ausbildung, die jedoch über außergewöhnliches Engagement, eine neue Perspektive oder visionäre Ideen verfügten.
Einige ehemals als „unwissenschaftlich“ oder „unfachmännisch“ abgetane Theorien und Arbeiten von Dilettanten wurden später wissenschaftlich bestätigt und sind heute Bestandteil des anerkannten Wissenskanons.
Die Ambivalenz des Begriffs offenbart eine tiefere gesellschaftliche Wertediskussion: Zwischen Expertenwissen und neugieriger Entdeckungslust, zwischen institutionalisierter Wissenschaft und individueller Erkenntnissuche. Der „Dilettant“ ist somit kein reines Gegenbild zum Experten, sondern in vielen Fällen dessen notwendiges Korrektiv – als Grenzgänger, Perspektivenwechsler oder Ideengeber.
Die Diskussion um Dilettantismus wurde auch in der Literatur und Kultur geführt. Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller setzten sich intensiv mit dem Thema auseinander. In ihrem Werk „Über den Dilettantismus“ analysierten sie die Rolle des Dilettanten in der Kunst und betonten dessen Bedeutung für die kulturelle Entwicklung.
Auch in der modernen Popkultur wurde der Begriff aufgegriffen. Die Bewegung der „Genialen Dilletanten“ in den 1980er Jahren, zu der Bands wie Einstürzende Neubauten gehörten, stellte bewusst die Grenzen zwischen Professionalität und Dilettantismus in Frage.
Dilettantismus als begriffliches Wertesystem
Im Kontext der Wertevermittlung kann der Dilettantismus als Ausdruck von Neugier, Kreativität und dem Mut, neue Wege zu gehen, betrachtet werden. Er steht für die Bereitschaft, sich ohne formale Zwänge einem Thema zu widmen und dabei innovative Perspektiven zu entwickeln.
Die Anerkennung des Dilettantismus als wertvolle Haltung kann dazu beitragen, starre Vorstellungen von Expertise zu hinterfragen und die Bedeutung von Leidenschaft und eigenständigem Denken zu betonen.
Erfolgreicher Dilettantismus
Zahlreiche Innovationen, Entdeckungen und kreative Durchbrüche sind Dilettanten zu verdanken – Menschen ohne formale Ausbildung in ihrem Fachgebiet, aber mit außergewöhnlichem Interesse, eigenständigem Denken und visionärer Energie.
Beispiele berühmter Dilettanten:
- Michael Faraday war Buchbinderlehrling und Autodidakt, bevor er die Grundlagen des Elektromagnetismus und der Elektrochemie legte.
- Gregor Mendel, ein Mönch ohne universitäre Laufbahn in Biologie, entdeckte durch einfache Kreuzungsversuche im Klostergarten die Vererbungsgesetze – das Fundament der modernen Genetik.
- Ada Lovelace, mathematisch begabte Tochter von Lord Byron, verfasste die erste algorithmische Beschreibung für eine Rechenmaschine – und gilt heute als erste Programmiererin der Geschichte.
- Leonardo da Vinci war als Künstler, Ingenieur, Anatom und Naturbeobachter in zahlreichen Feldern aktiv, ohne je eine formale wissenschaftliche Ausbildung erhalten zu haben.
- Albert Einstein selbst war zu Beginn seiner Karriere ein Außenseiter im wissenschaftlichen Betrieb – sein „Annus Mirabilis“ 1905 verbrachte er als technischer Beamter im Patentamt in Bern.
- Antoni van Leeuwenhoek: Der niederländische Tuchhändler entwickelte leistungsstarke Mikroskope und entdeckte damit Mikroorganismen, ohne formale wissenschaftliche Ausbildung.
- Benjamin Franklin: Als autodidaktischer Naturforscher erfand er den Blitzableiter und trug wesentlich zum Verständnis der Elektrizität bei.
- Hedy Lamarr: Die Schauspielerin entwickelte ein Frequenzsprungverfahren, das als Grundlage für moderne Kommunikationstechnologien wie WLAN dient.
- Heinrich Schliemann: Der Kaufmann und Hobbyarchäologe entdeckte die Ruinen von Troja und leistete bedeutende Beiträge zur Archäologie.
Diese Persönlichkeiten beweisen: Es waren gerade Dilettanten, die durch ihre interdisziplinäre Neugier, unvoreingenommene Sichtweise und unkonventionellen Denkansätze Großes geleistet haben. Nicht trotz, sondern wegen ihres Status außerhalb der etablierten Strukturen.
Daher lässt sich auch die These vertreten:
Fast alle großen Vordenker begannen als Dilettanten. Sie dachten nicht „im System“, sondern wagten es, bestehende Denkmodelle zu hinterfragen – und haben so Geschichte geschrieben.
Die Abwertung des Dilettantismus in der heutigen Alltagssprache spiegelt daher nicht nur ein verkürztes Verständnis von Kompetenz wider, sondern auch einen gesellschaftlichen Bias gegen unkonventionelle Erkenntniswege. Der Dilettant, im eigentlichen Wortsinn, ist kein Mangel – sondern eine Quelle von Kreativität, Disruption und geistiger Erneuerung.
Zitate
„Die Zudringlichkeiten junger Dilettanten muss man mit Wohlwollen ertragen: Sie werden im Alter die wahrsten Verehrer der Kunst und des Meisters.“
Johann Wolfgang von Goethe (1749 – 1832)
„Alle sagten: ‚Das geht nicht.‘ Dann kam einer, der wusste das nicht, und hat es gemacht.
Hilbert Meyer (* 1941); bis 2009 Professor für Schulpädagogik
„Auch der Dilettant hat zuweilen Einfälle, die selbst den Anspruchsvollen zu verblüffen imstande sind.“
Arthur Schnitzler (15.05.1862 bis 21.10.1931); österreichischer Arzt, Erzähler und Dramatiker
„Nur beim Dilettanten decken sich Mensch und Beruf.“
Egon Friedell (21.01.1878 bis 16.03.1938); österreichischer Journalist, Schriftsteller, Dramatiker, Theaterkritiker, Kulturphilosoph, Schauspieler und Kabarettist
„Die gegenwärtig wachsende geistige Primitivität erfordert geradezu den Dilettantismus, weil, was mit einem höheren Grad von Differenzierung in Erscheinung tritt, auf das Bemühen um ein Verständnis angewiesen ist, ein Bemühen, das der Dilettantismus seinem Publikum erspart.“
Günther Kunert (06.03.1929 bis 21.10.2019); deutscher Lyriker und Schriftsteller
Letzte Bearbeitung am 11.05.2025